Blog Libanon 16. Februar 2016

Stricken gegen die Kälte

Wollensammelaktion für syrische Flüchtlinge im Welthaus in Aachen

In Aachen stricken Flüchtlingsfrauen Decke um Decke und Schal um Schal gegen die Kälte.

Ingeborg Heck-Böckler ist seit mehr als 35 Jahren Mitglied von Amnesty International, seit 14 Jahren setzt sie sich vor allem für den Schutz von Flüchtlingen ein. Sie engagiert sich in den Amnesty-Asylgruppen in Aachen und Eupen und ist außerdem Ansprechpartnerin für die Flüchtlingshilfe-Kampagne "Save me" für Aachen und Nordrhein-Westfalen.

Es war im Frühjahr 2015, als Agnes zum ersten Mal nach Wollresten fragte: Sie erzählte, dass sie daraus warme Decken, Mützen und Schals stricken möchte, um diese in den Irak nach Erbil zu ihrer Schwester und ihrem Schwager zu schicken, damit sie an Flüchtlinge weiter verteilt werden. Uns beeindruckte, wie sehr sich diese Frau bemühte, Menschen in ihrer Heimat zu helfen. Und wir konnten auch sehen, wie ohnmächtig sie sich fühlte, wenn sie Nachrichten aus dem Irak hörte. Manchmal hatte sie fast schon ein schlechtes Gewissen, weil sie in Sicherheit lebt.

Dieses Engagement wollten wir im Rahmen der "Save me"-Kampagne unterstützen, in der sich deutschlandweit unabhängige, lokale Initiativen für ein gemeinsames Ziel einsetzen: Die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland über das Resettlement-Programm der Vereinten Nationen.

Am 12. Februar 2016 organisierten wir eine Wollsammelaktion in der Citykirche in Aachen. Bei Fingerfood und Länderinformationen kamen über 200 Menschen in der Citykirche zusammen und spendeten ihre Wollsachen. Sogar Witwer brachten kleine Spenden und erzählten uns: "Das hätte meiner Frau gefallen". Die älteren Besucher zeigten gleichzeitig großes Verständnis für die Flüchtlinge, die in Europa Schutz suchen, und berichteten von ihren eigenen Fluchterfahrungen.

Vor eineinhalb Jahren entstand dank des Einfalls einer "Save me"-Patin zum ersten Mal die Idee eines Strickcafés. Unter dem Motto "Stricken gegen die Kälte" erreichen uns seitdem im Welthaus in Aachen Wollspenden und fertige Stricksachen aus ganz Deutschland, insbesondere nachdem unsere Aktion in einem Artikel des "Fluter", dem Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung, publik gemacht wurde.

In der Citykirche Aachen treffen Wollspenden aus ganz Deutschland ein

Zu unseren Treffen sind besonders weibliche Flüchtlinge eingeladen – aber auch all diejenigen, die einfach nur Stricken lernen, sich mit ihrer Häkelarbeit zu uns gesellen oder die Begegnung mit Flüchtlingen suchen möchten. Und weil es schöner ist, sich dabei ohne Übersetzungshilfe zu unterhalten, hat die Irakerin Faesa einen Deutschkurs angeregt. Dieser findet nun immer eine Stunde vor unseren Treffen statt. Und eines Tages standen auf einmal auch 14 junge Männer vor der Tür und wollten Deutsch lernen.

Im Rahmen des Strickcafés informieren wir über die aktuellen Kampagnen von Amnesty International und sammeln Unterschriften für unsere Petitionen. Auch kleinere Beratungen werden von Amnesty-Mitgliedern am Rande der Treffen durchgeführt.

Die Wollsammelaktion findet alle sechs Monate in der Citykirche statt. Dabei steht jedes Mal eine andere Region, aus der Flüchtlinge kommen, im Zentrum unserer Aktivitäten. Daher passte es auch gut, dass Youssef Karaki, der ebenfalls Mitglied der Aachener Asylgruppe von Amnesty International ist, regelmäßig seine Familie im Libanon besucht. Die Fotos, die er während seiner Reise machte, zeigen, wie es den Flüchtlingen wirklich geht.

Seit dem Beginn des Bürgerkrieges in Syrien, haben über 1,5 Millionen Syrerinnen und Syrer Zuflucht im Libanon gesucht. Während der Verlauf des Krieges ein tägliches Thema in unseren Nachrichten ist, erfährt man wenig über die einzelnen Schicksale der Flüchtlinge. Warum sind diese Menschen geflohen? Was sind ihre Hoffnungen? Wie geht es ihnen jetzt und unter welchen Umständen leben sie?

Amnesty-Mitglied Youssef Karaki (hinten rechts) mit syrischen Flüchtlingen im Libanon

Bei seinem Besuch im Libanon hatte Youssef die Möglichkeit, Antworten auf diese Fragen zu bekommen. Als ihm zwei Kinder im Alter von zehn und zwölf Jahren ölverschmiert in einem Vorort von Beirut in einer Kfz-Werkstatt auffielen, fragte er sich verwundert, warum sie in diesem Alter arbeiten und weshalb sie nicht in der Schule sind. Es stellte sich heraus, dass es syrische Flüchtlingskinder sind, die arbeiten, um den Aufenthalt ihrer Familie im Libanon mitzufinanzieren. Um vom ihren Schicksal zu berichten, beschloss Youssef, die Eltern der beiden Kinder sowie weitere Familien zu besuchen und Interviews mit ihnen zu führen. Es entstanden interessante Gespräche und Fotos, in denen man viel über die Erlebnisse und die traurigen Schicksale der Familien erfährt.

Wir präsentierten die Bilder in einer Ausstellung, die auf großes Interesse stieß: Die Besucher wollten von Youssef Informationen aus erster Hand über die Situation vor Ort bekommen. Auch die Ausgaben des aktuellen "Amnesty Journals", die wir verteilten, lieferten viele Informationen zu den Nachbarländern Syriens, so dass wir mit der Aktion "Stricken gegen die Kälte" auf der einen Seite Hilfe für Flüchtlinge und auf der anderen Seite umfangreiche Hintergrundinformationen zu dem Konflikt in Syrien anbieten konnten.

Youssef schickte die gestrickten Sachen direkt an seine Mutter, die sie an die vielen Flüchtlinge weiter verteilte. So ist auch gewährleistet, dass die Hilfsgüter in die richtigen Hände gelangen.

"Diese Aktion erreicht vielleicht mehr, als ein langer Vortrag mit erhobenem Zeigefinger", freute sich unser Gastgeber in der Citykirche. Auf alle Fälle erreichen wir damit Menschen, die wir anders nicht so leicht erreichen könnten, und wir bieten die Möglichkeit, sich mit Schutzsuchenden auszutauschen, um ihnen praktische Unterstützung anzubieten.

Das hilft, um Vorurteile vorzubeugen und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen – auch auf Seiten der Flüchtlinge.

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