Blog Ägypten 17. Februar 2014

Kraftvolle Bilder

Preisverleihung: Christoph Terhechte, der Leiter des Berlinale-Forums, nahm den Amnesty-Filmpreis stellvertretend für die Regisseurin Jehane Noujaim von der Jury am 15. Februar 2014 entgegen.

Der Amnesty International Filmpreis auf der diesjährigen Berlinale ging an "Al midan" ("Der Platz") von Jehane Noujaim. Der Dokumentarfilm zeigt die Entwicklung der Proteste auf dem Tahrir-Platz in Kairo zwischen 2011 und 2013.

Ines Wildhage ist hauptamtliche Referentin im Team Kommunikation der deutschen Amnesty-Sektion. Gemeinsam mit Produzentin Regina Ziegler und Schauspielerin Melika Foroutan war sie Mitglied in der Amnesty-Jury auf der diesjährigen Berlinale.

 

Morgens Österreich, mittags Afghanistan und abends Ägypten: Eine Woche lang hat uns die Berlinale in 16 Filmen rund um die Welt reisen lassen. Die bekannte deutsche Produzentin Regina Ziegler, die Schauspielerin Melika Foroutan und ich waren als Amnesty-Jury neun Tage mit einer breiten Themenpalette konfrontiert: der Situation von Übersetzern und anderen für die ISAF arbeitenden Afghanen; den vielschichtigen Problemen Indiens; der Schuld, die die europäischen Kolonialmächte am Elend afrikanischer Länder tragen; mit den Sorgen und Nöten von Flüchtlingskindern; den Rechten von Frauen in Äthiopien; der Willkür türkischer Sicherheitskräfte gegenüber Kurden.

Mehrfach bekamen wir zu sehen, wie die Rechte von Minderheiten mit Füßen getreten werden und wie anstrengend und frustrierend Demokratie oder der Weg zu einer demokratischen Gesellschaft sein kann.

 

Die Amnesty-Jury auf der diesjährigen Berlinale (v.l.): Ines Wildhage von Amnesty International in Deutschland, Produzentin Regina Ziegler ("Weissensee", "Die Wölfe") und Schauspielerin Melika Foroutan ("KDD - Kriminaldauerdienst", "Und dennoch lieben wir").

Besonders beeindruckend waren die sehr guten und authentischen jungen Darsteller - z. B. der tschetschenische Flüchtlingsjunge Ramasan in "Macondo". Er überzeugt mit seiner Körpersprache, seinem jeweils geradezu aus seinem Gesicht springenden Gefühlszustand. Jiyan, das kurdische Mädchen aus dem türkischen Film "Come to my voice", das sich mit seiner Großmutter auf die Suche nach einer Waffe begibt, damit die Polizei den Vater frei lässt. Und auch der junge afghanische Übersetzer Tarik lässt uns seinen Konflikt deutlich spüren: In Feo Aladags "Zwischen Welten" befindet er sich eben dort. Er gehört weder zu den Deutschen noch zu den Afghanen, die ihn wegen seiner Arbeit für die ISAF-Truppen als Kollaborateur ansehen und mit dem Tode bedrohen.

Doch am Ende war es ein Film, mit einer anderen Thematik, der für uns der klare Gewinner des 10. Amnesty International Filmpreises auf der Berlinale 2014 werden sollte: "Al midan".

Der Film der ägyptisch-amerikanischen Regisseurin Jehane Noujaim lief im Forum der Berlinale. In  "Al midan" begleitet sie die Entwicklung auf dem Tahrirplatz in Kairo zwischen 2011 und 2013. Noujaim zeigt kraftvolle Bilder, ohne Partei zu ergreifen. Entstanden ist ein Film, der Geschichten der Menschlichkeit erzählt und von der Entschlossenheit und dem Mut des ägyptischen Volkes auf dem Tahrirplatz zeugt.



"Al midan" ist ein mutiger Film mit beeindruckenden Protagonisten: Ahmed, Khaled und Magdy.  Magdy ist ein gemäßigter Muslimbruder. Khaled, Hauptdarsteller aus "Der Drachenläufer", ist in England aufgewachsen und stammt aus einer ägyptischen Familie, die sich seit zwei Generationen für Demokratie in ihrem Land stark macht. Ahmed ist in einem Kairoer Arbeiterviertel aufgewachsen und hat sich bereits mit acht Jahren als Straßenverkäufer das Schulgeld verdient. Obwohl sie aus verschiedenen Lebenswelten kommen, werden sie Weggefährten und halten unabhängig von den jeweiligen Machthabern an ihrem gemeinsamen Ziel fest: ein freies Ägypten.

YouTube freischalten

Wir respektieren deine Privatsphäre und stellen deshalb ohne dein Einverständnis keine Verbindung zu YouTube her. Hier kannst du deine Einstellungen verwalten, um eine Verbindung zu den Social-Media-Kanälen herzustellen.
Datenschutzeinstellungen verwalten

Offizieller Trailer zum Dokumentarfilm "Al midan" (Trailer auf YouTube ansehen)

Jehane Noujaim hat Momente der Hoffnung, des Scheiterns, des Glücks, der Todesangst, der Ernüchterung und vor allem des Mutes dokumentiert. Die Kamera läuft auch in lebensgefährlichen Situationen weiter.

Besonders fest hat sich mir eine Szene eingebrannt, die vom Mut der Protagonisten, aber auch vom Mut der Filmemacher zeugt: Eine wackelnde Kamera folgt dem vor schießenden Sicherheitskräften in einen Hauseingang fliehenden Ahmed. Die Kamera wackelt, kurz ist es dunkel, man hört aber den atemlosen Ahmed und dann ist es wieder heller. Vorn im Bild sieht man den keuchenden Ahmed, hinten im Bild die vorbeirennenden, entschlossen handelnden Sicherheitskräfte.

Nach drei Aufständen - zuerst gegen Mubarak, dann gegen das Militär, dann gegen Mursi - und all den Szenen des Aufbruchs und der Rückschläge verlässt der Zuschauer das Kino mit dem Gefühl, dass der Mut und die Entschlossenheit der Ägypter nicht vergeblich waren: Sie haben gelernt, gegen jedes System aufzustehen, das sie unterdrückt, und ihre Würde einzufordern.

Weitere Artikel