Amnesty Report Ecuador 16. April 2020

Ecuador 2019

Eine dunkelhaarige Frau mit Zeichen im Gesicht

Die ecuadorianische Umweltschützerin und Menschenrechtsverteidigerin Patricia Gualinga

Trotz formaler Beteuerungen hatte Präsident Lenín Moreno Ende 2019 noch keine Maßnahmen ergriffen, um die Rohstoffindustrie in einer Weise zu regulieren, die den Rechten der indigenen Bevölkerungsgruppen Geltung verschaffte. Es gab nach wie vor keine angemessene Strategie, um das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Menschenrechtsverteidiger_innen zu schützen, und um sicherzustellen, dass Drohungen und Angriffe gegen sie wirksam untersucht wurden. Besonders betroffen waren Personen, die sich für die Rechte indigener Gemeinschaften sowie für Landrechte und die Umwelt einsetzten.

Unterdrückung Andersdenkender

Am 3. Oktober 2019 brachen in zahlreichen Städten Ecuadors Proteste aus, nachdem Präsident Moreno die Abschaffung der Diesel- und Benzinsubventionen angekündigt hatte. Wenige Stunden später rief der Präsident für das gesamte Land den Ausnahmezustand aus, der den Einsatz von Militär und Polizei zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit erlaubt. Am 14. Oktober wurde der Ausnahmezustand wieder aufgehoben, nachdem die Sicherheitskräfte die Proteste in den Tagen zuvor unter Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt niedergeschlagen hatten. Laut Angaben des Büros der Ombudsperson wurden während des zehntägigen Ausnahmezustands 1.192 Menschen inhaftiert, acht Personen getötet und 1.340 verletzt. Mehr als 70 % der Inhaftierten wurden umgehend wieder freigelassen, gegen die übrigen wurde Anklage erhoben.

Menschenrechtsverteidiger_innen

Am 11. April 2019 nahm die Polizei den Netzaktivisten Ola Bini fest. Innenministerin María Paula Romo warf ihm vor, er habe an "Versuchen zur Destabilisierung der Regierung" mitgewirkt. Er kam nach 70 Tagen Untersuchungshaft frei, nachdem ein Gericht seine Inhaftierung als willkürlich und völkerrechtswidrig eingestuft wurde. Die Behörden klagten ihn später wegen "unbefugten Zugriffs auf ein Informationssystem" an, Ende 2019 war er jedoch noch nicht vor Gericht gestellt worden.

Die Entwicklung und Umsetzung einer nationalen Strategie zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger_innen, einschließlich eines Leitfadens zur Ermittlung von Straftaten, die an ihnen verübt wurden, stand 2019 weiterhin aus. Im Zusammenhang mit den Drohungen und tätlichen Angriffen auf Patricia Gualinga, Nema Grefa, Salomé Aranda und Margoth Escobar war Ende 2019 noch niemand zur Verantwortung gezogen worden. Die vier Mitglieder des Frauenkollektivs Mujeres Amazónicas setzen sich für Landrechte und Umweltschutz ein.

Rechte indigener Bevölkerungsgruppen

Die UN-Sonderberichterstatterin für die Rechte der indigenen Völker veröffentlichte im Juli 2019 einen Bericht über ihren Besuch Ecuadors. Darin empfahl sie der Regierung, keine weiteren Lizenzen zum Rohstoffabbau zu vergeben, ohne die freie, vorherige und informierte Zustimmung der betroffenen indigenen Gemeinschaften eingeholt zu haben. Sie empfahl zudem, bereits erteilte Lizenzen zu überprüfen und falls nötig zu widerrufen, wenn sie nicht mit der Verfassung oder internationalen Menschenrechtsnormen übereinstimmen.

Im Oktober 2019 strengten Angehörige der indigenen Gemeinschaft der Sarayaku vor örtlichen Gerichten ein Verfahren an, um die vollständige Umsetzung eines Urteils des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2008 zu erreichen, das der Gemeinschaft das Recht auf vorherige Konsultation einräumt.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant_innen

Die Verschärfung der Kriterien für venezolanische Flüchtlinge, die in Ecuador um internationalen Schutz nachsuchen, bot nach wie vor Anlass zur Sorge. Im Januar 2019 machte Präsident Moreno venezolanische Einwanderer für Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt und Femizide verantwortlich. Nach seiner Äußerung kam es in der Stadt Ibarra zu mehreren fremdenfeindlichen Angriffen auf venezolanische Staatsangehörige.

Gewalt gegen Mädchen und Frauen

Im September 2019 stimmte das Parlament gegen einen Gesetzentwurf, der vorgesehen hatte, Schwangerschaftsabbrüche nach einer Vergewaltigung oder bei einer Missbildung des Fötus zu entkriminalisieren. Die Entscheidung des Parlaments bedeutete, dass das Leben schwangerer Frauen und Mädchen weiterhin aufs Spiel gesetzt wurde.

Berichte von Amnesty International

Ecuador: OAS member states must demand that Ecuador investigate violent repression during the state of emergency (News story 15 October 2019)

Ecuador: Human rights violations in criminal proceedings against Ola Bini (AMR 28/0871/2019)

Ecuador: "They will not stop us": Justice and protection for Amazonian women defenders of the land, territory and environment (AMR 28/0039/2019)

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