Aktuell Blog 03. August 2018

"We are one Amnesty": Das Jugendcamp in Oyibi

Fünf junge Frauen in gelben T-Shirts posieren mit einem roten Schild, auf dem "No Poverty" steht

Teilnehmende des Jugendcamps in Oyibi

Vor wenigen Tagen ging das Amnesty-Jugendcamp in Ghana zu Ende, an dem Mitglieder aus Ghana, Norwegen, Mali, Nigeria und Deutschland teilnahmen. Eine von ihnen war Katja Nübler, Referentin für Mitgliedschaftsunterstützung in der Jugendvertretung der deutschen Amnesty-Sektion. Bis vor kurzem war sie Mitglied der Amnesty-Jugendgruppe Schulpforte in Sachsen-Anhalt. In diesem Text beschreibt sie, was sie beim Camp in Ghana alles erlebt hat.

Wir landeten am Dienstag in Accra in den frühen Morgenstunden und verloren keine Zeit: Schon kurze Zeit später besuchten wir das Amnesty-Büro der ghanaischen Sektion, gelegen an einer staubigen Straßenkreuzung, gesäumt von allerlei Verkaufsständen. Im Büro lernten wir u.a. Frank Doyi kennen, den Referenten für Wachstum und Mobilisierung der ghanaischen Amnesty-Sektion.

Kurz darauf trafen wir auch Moses Akatugba aus Nigeria. Er war im November 2005 im Alter von 16 Jahren festgenommen und massiv gefoltert und später zum  Tode verurteilt worden – weil er angeblich Mobiltelefone gestohlen hatte. Amnesty hatte sich mit weltweiten Kampagnen wie dem Briefmarathon 2014 für ihn eingesetzt und mehr als 800.000 Briefe und Unterschriften gesammelt. Mit Erfolg: Im Mai 2015 wurde Moses Akatugba begnadigt und aus der Haft entlassen. Es war eine surreale Situation für mich, die Person zu treffen, für und an die ich Briefe geschrieben hatte, ohne zu wissen, ob sie ankommen würden, und um die ich mir große Sorgen gemacht hatte, ohne sie jemals kennengelernt zu haben.

Dann ging es los: Am Nachmittag brachen wir Richtung Oyibi auf. Am Abend traf ich dann zum ersten Mal Malachi, den Gruppensprecher meiner Twinning-Partnergruppe. Es war toll, ihm nach drei Jahren intensiver Zusammenarbeit sowie unzähligen E-Mails und Telefonaten persönlich zu begegnen. Dass dieses Treffen zustande kam, verdanken wir dem Vorstand der deutschen Amnesty-Sektion, der die Zusammenarbeit mit der ghanaischen Sektion fördert, und der Unterstützung durch eine lokale Amnesty-Gruppe in München. 

Außerdem lernte ich Nannette kennen, die ghanaische Twinning-Koordinatorin. Unser Beitrag zum Jugendcamp war unter anderem die Durchführung verschiedener Workshops. Gemeinsam mit Zaira und Nannette arbeitete ich bis tief in die Nacht an unserem Workshop über das Twinning-Programm am nächsten Tag.

Sechs junge Menschen stehen vor einer lila Wand

Einige der Mitglieder der deutschen Amnesty-Delegation gemeinsam mit Hawa, der malischen Delegierten (zweite von rechts): Wolfgang, Katja, Sven, Zaira und Antonia

Am ersten Tag im Jugendcamp begann die Tagesordnung bereits um 5 Uhr morgens: Jogging. Ich entschied mich jedoch dazu, meine Kräfte für das weitere Programm zu sparen...

Der Vormittag war kurzweilig: Wir lernten die ganze Zeit neue Menschen kennen. Die Teilnehmenden des Camps, den Vorstand der ghanaischen Amnesty-Sektion, bis hin zu den Mitgliedern der Amnesty-Delegationen aus Mali, Norwegen und Nigeria.

Die Eröffnungszeremonie mit traditioneller Musik und Tänzen stand unter dem Motto "Advancing Rights and SDGs – The Role of the Youth". SDGs steht für "Sustainable Developement Goals", so werden 17 Ziele der Vereinten Nationen bezeichnet für die Entwicklung der Menschheit und den Schutz des Planeten, die bis 2030 realisiert werden sollen.

Von Christine Ivans-Clock, Koordinatorin der Vereinten Nationen, hörten wir den ersten fesselnden Vortrag zum Thema des diesjährigen Jugendcamps: "Ihr seid die erste Generation, die die extreme Armut beenden könnte, und wahrscheinlich die letzte Generation, die die Umwelt retten kann", appellierte sie eindringlich an uns. Danach gab Moses Akatugba einen bewegenden Einblick in seine Lebensgeschichte, seine Zeit in der Gewalt des nigerianischen Militärs und im Todestrakt. Beim Mittagessen konnten wir uns zum ersten Mal mit allen auch informell austauschen.

Ihr seid die erste Generation, die die extreme Armut beenden könnte, und wahrscheinlich die letzte Generation, die die Umwelt retten kann.

Christine
Ivans-Clock
Koordinatorin bei den Vereinten Nationen

Später am Tag hielten wir in Tandem-Gruppen, deren Mitglieder sowohl aus Ghana als auch aus Deutschland kamen, unsere Workshops zu den Themen Fundraising, Campaigning, dem Werben von Mitgliedern und dem Twinning-Programm. Daraus entwickelte sich eine gute Dynamik, wir ergänzten uns gegenseitig und kamen alle zu sehr zufriedenstellenden Ergebnissen.

An diesem Nachmittag sollte eigentlich auch die erste ghanaische Jugendvertretung gewählt werden, was aber leider doch nicht stattfand, da aufgrund der noch nicht ausgearbeiteten Jugendstrategie nichts überstürzt werden sollte. Das war natürlich schade, dennoch gab es einen guten Austausch über die zukünftige Jugendstrategie und verschiedene Formen von Jugendvertretungen und Jugendarbeit und wir werden im weiteren Konsultationsprozess in Kontakt bleiben.

Am nächsten Tag begann der Frühsport zwar erst um 6 Uhr, was mich aber auch nicht zur Teilnahme bewegen konnte. Der Vorschlag, diesen Tagesordnungspunkt auch bei den jährlich stattfindenden Jugend@Amnesty-Treffen in Deutschland zu etablieren, rief gemischte Reaktionen hervor. Vormittags fand dann eine Podiumsdiskussion zum Thema SDGs mit einem Vertreter der Regierung und einer Juristin statt, an der auch ich teilnehmen durfte. Es war interessant zu hören, wie Menschen aus Ghana zu dem Thema Geschlechtergerechtigkeit und den Ursachen von Sexismus stehen. Viele Probleme seien oft Resultat patriarchalischer Strukturen und mangelnder Aufklärung, gerade wenn es um Familienplanung geht.

Lachende Jugendliche in gelben T-Shirts posieren mit Schildern, auf denen die "Sustainable Development Goals" der UN stehen

Gruppenbild nach einer gemeinsamen Fotoaktion beim Jugendcamp in der ghanaischen Stadt Oyibi (Archivbild 2018)

Das Jugendcamp endete schließlich mit einem "black tie event" mit atemberaubenden Abendgarderoben. Dies war ein gelungener Abschluss, denn wir konnten uns ein letztes Mal mit allen in ungezwungener Atmosphäre unterhalten und Kontaktdaten austauschen.

Tags drauf brachen wir früh nach Accra auf, wo wir an einem Training des internationalen Amnesty-Sekretariats über Todesstrafe teilnehmen durften. Das Training ging in die Tiefe und zeigte neben der moralischen Argumentation auch auf, auf welche internationalen und panafrikanischen Verträge und Standards man sich beim Kampf gegen die Todesstrafe berufen kann.

Anfang nächster Woche werden wir gemeinsam mit dem Direktor der ghanaischen Sektion, Robert Akoto Amoafo, noch einen Termin bei der deutschen Botschaft wahrnehmen und ein letztes Mal das Office in Accra besuchen.

Angesichts der vielen engagierten Amnesty-Mitglieder aus Ghana, Deutschland, Mali, Norwegen und Nigeria wurde mir beim Jugendcamp wieder aufs Neue klar, wie groß unsere Bewegung eigentlich ist. Es gibt uns auf der ganzen Welt: Menschen, die die Leidenschaft für die Menschenrechte verbindet und die gemeinsam dafür eintreten.

Mehr dazu